Gepostet am
6/9/2023

Génération Numérique: Interview mit Animateurr Sami Charfi

Die französische Vereinigung Génération Numérique unterrichtet seit 20 Jahren Kinder und Jugendliche über das Internet. Seit 12 Jahren steht der Animateur Sami Charfi an vorderster Front und führt Workshops in Schulen durch, um das Internet und die sozialen Medien zu entmystifizieren und das Problem des Online-Mobbings direkt anzugehen. Als Veteran wusste Charfi anfangs wenig über soziale Medien; heute ist der selbstironische 50-Jährige ein autodidaktischer Experte in Sachen Technik und darin, Kinder zum Zuhören zu bewegen. In diesem Interview erklärt er, wie sich die Entwicklung der sozialen Medien auf das Verhalten der Kinder und ihre Erwartungen an die Welt ausgewirkt hat.

Porträt von Sami Charfi Digital Generation
Porträt von Sami Charfi Digital Generation

Wie haben sich die Gedanken und Reaktionen der Kinder auf soziale Netzwerke im Laufe der Zeit, in der Sie mit ihnen arbeiten, entwickelt?

Bei Kindern ist es recht einfach, ihre Neigung zum Konformismus zu erkennen. Entgegen der landläufigen Meinung sind junge Menschen nicht unbedingt rebellische Kinder, ganz im Gegenteil. Sie richten sich sehr nach dem, was die Medien ihnen vorgeben, oder nach dem Modell, das die sozialen Netzwerke vorgeben. Sie machen mit, und sobald etwas Neues auftaucht, sind sie sofort Feuer und Flamme dafür. Ihr Verhalten hat sich nicht wesentlich verändert. Sie waren schon immer so. Die Probleme, auf die wir stoßen, hängen mit der Nutzung sozialer Netzwerke, dem Image von Plattformen und der Vorstellung zusammen, dass sie durch Einfluss reich werden können. Sie denken: „Was bringt es, Mathe zu lernen? Französische Geschichte? Was bringt es mir, den Bac [entspricht dem deutschen Abitur] zu absolvieren? Wenn ich gut aussehe, schön bin, oder zumindest Charisma habe und davon leben kann“. Nehmen Sie eine Sendung wie Touche Pas à Mon Poste, die 2 Millionen Zuschauer hat, die aber nur hypersensibles und sehr konsumorientiertes Zeug präsentiert und regelmäßig TV-Reality-Influencer*innen als Gäste hat. Und das ist es, was Kinder sehen.  

Dieses Modell tauchte vor zwei Jahren auf, als wir über YouTuber*innen sprachen. Das war eine lustige, coole Sache. Der Typ, der dich zum Lachen bringt, auf etwas, das sich YouTube nennt, das ist etwas Neues. Ich spreche nicht von den alten YouTuber*innen, die Karriere gemacht haben, einige sind sogar zum Film gegangen. Wenn es um Influencer*innen geht, gibt es eine Art von Weg, der völlig von der Realität abweicht. Die meisten von ihnen sind Kandidaten/innen in Reality-TV-Shows. Das sind Figuren, die erschaffen werden. Wir verbieten ihnen nicht, irgendwelche Dummheiten zu sagen – im Gegenteil, sie werden dazu gedrängt, so weit zu gehen, wie sie können. Für den/die Zuschauer/in ist es eine Bestätigung des eigenen Intellekts, wenn er/sie jemanden etwas Dummes sagen hört.

Sie sind jung und schön, leben in tollen Häusern und sind da, um der Liebe zu begegnen. Sie führen ein Leben, das uns real erscheint, es aber in Wirklichkeit nicht ist. Und sobald sie die Show beendet haben, werden sie in den sozialen Netzwerken hochgepusht, mit dem einzigen Ziel, ein falsches Leben zu zeigen, aber dafür gibt es Marken, die dafür bezahlen. Und je beliebter man ist, desto mehr Follower*innen hat man, und desto mehr zahlt die Marke für die Nutzung des Bildes.

Wie dekonstruieren Sie diesen Mythos?

Zunächst einmal dekonstruiere ich mein Image als 50-jähriger Erwachsener. Ich versuche, ihr Vorbild zu sein, und rede wie sie und bringe sie zum Lachen. Ich erkläre es, indem ich Bilder von Influencer*innen wie Kim Kardashian nehme, die Mädchen bitte, aufzustehen, sich gegenseitig anzuschauen und zu fragen, ob eine von ihnen tatsächlich so aussieht. Ich zeige, dass es mehr Menschen gibt, die nicht so aussehen, als solche, die so aussehen. Das Gleiche mache ich mit den Jungen. Ich bitte sie, mich oder Onkel Bruno oder ihren Vater anzuschauen, um ihnen zu zeigen, dass es viel mehr Männer gibt, die nicht so muskulös sind, als solche, die es sind. Ich sage ihnen, dass sie es tun können, wenn sie es immer noch wollen, aber dass sie sich darüber im Klaren sein müssen, dass sie ein Objekt sein werden, das von anderen benutzt wird, um Geld zu verdienen. Dabei sage ich nicht, ob es falsch oder richtig ist, sondern nur, dass man sich dessen bewusst sein sollte.  

Wie sieht es mit den Auswirkungen der sozialen Medien auf die psychische Gesundheit von Kindern aus? Wie haben Sie die Entwicklung dieser Probleme während Ihrer Zeit bei Génération Numérique beobachtet?

Die Covid-19-Pandemie hat nicht geholfen. Kinder sind immer passiver. Sie reden weniger und beteiligen sich weniger am Austausch. Man muss sie drängen, eine Meinung zu äußern. Man hat den Eindruck, dass sie nicht einmal mehr eine haben, dass sie sich nicht das Recht geben, eine Meinung zu haben. Sie haben Angst vor ihrer eigenen Meinung. Sie haben Angst, ständig verurteilt zu werden. Verurteilung bedeutet, dass man nie etwas über mich sagen darf. Und um sicherzugehen, dass nichts über einen gesagt wird, macht man sich klein.

Unsere Gesellschaft hat viele Formen von Gewalt bagatellisiert. Wenn es Mobbing und Cybermobbing gibt, liegt das nicht unbedingt daran, dass Kinder gewalttätiger geworden sind, sondern an unserer Gesellschaft. Beschimpfungen sind völlig trivialisiert worden. Wir beleidigen Menschen, selbst wenn wir ihnen einen guten Morgen wünschen. Es ist alltäglich. Sie sehen es in ihren Familien, in der Gesellschaft, und deshalb tun sie es auch untereinander, ohne sich dessen bewusst zu sein, wenn sie es tun. Sie wissen, dass sie es nicht mögen, aber wenn sie es selbst tun, empfinden sie es als keine große Sache, weil es so normal ist.

Es gibt eine Art Trivialisierung von verbaler Gewalt im Besonderen und von Online-Hass. Twitter ist wie ein Boxring. Sie sagen es nicht, aber ich habe den Eindruck, dass Kinder denken, dass es an den Erwachsenen liegt [etwas dagegen zu tun]. Und damit haben sie nicht Unrecht. Wenn es in der Schule Ärger gibt, bagatellisieren die Eltern das oft, indem sie sagen: ‚Na ja, er wurde provoziert‘ oder ‚Kinder sind eben so, sie können gemein sein‘. Wir verharmlosen Dinge, die absolut nicht normal sind, denn ein Kind ist nicht gemein, sondern genau das Gegenteil. Kinder müssen zu Freundlichkeit und Einfühlungsvermögen erzogen werden.

Wie reagieren Eltern auf das Internet und die Workshops in den sozialen Medien?

Wenn wir ein Elterntreffen veranstalten, kommen normalerweise nur wenige Eltern, und die, die kommen, wissen bereits, was Sie sagen werden. Wenn ich fünf oder sechs Eltern habe, die kommen, bin ich zufrieden. Sie kommen nicht, weil sie Angst haben, verurteilt zu werden: „Was wird er uns sagen? Er wird uns über das Leben belehren, obwohl er nichts über uns weiß“. Aber das ist nicht der Fall. Es ist nur ein Gespräch.

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