Influencer-Budgets steigen, KPIs verändern sich und die Grenzen zwischen Branding und Performance verschwimmen. Von der wachsenden Bedeutung von Communities und langfristigen Partnerschaften bis hin zur Rolle von KI bei der Skalierung von Kampagnen – Mohammad Al-Kurdi, Managing Director von theMAKagency in Berlin, teilt seine Perspektive darauf, wie Marken Budgets einsetzen sollten, welche KPIs wirklich zählen und warum Community-Bindungen – und nicht bloße Reichweite – die Zukunft des Influencer-Marketings bestimmen werden.
Wie werden sich die Budgets für Influencer-Marketing im kommenden Jahr entwickeln?
Ich erwarte, dass die Budgets für Influencer-Marketing auch im nächsten Jahr wieder steigen. Vergleicht man 2024 mit 2025, wurden bereits fast 30 % mehr Budget in Influencer-Marketing investiert. Besonders auffällig ist, dass Performance-Tracking eine immer wichtigere Rolle spielt. Marken buchen zunehmend Reichweiten-Garantien, um sicherzugehen, dass die investierte Reichweite sich in messbaren KPIs widerspiegelt.
Langfristig sehe ich Unternehmen stärker auf Communities setzen – auf die echte Bindung zwischen Creator und Publikum. Nur so lässt sich nachhaltiger Wert für Markenbekanntheit und Performance schaffen, während reine Reichweite ohne Community-Verbindung wenig Wirkung hat.
Innerhalb der Influencer-Marketing-Budgets: Wie verschiebt sich die Verteilung der Mittel?
Wir sehen, dass 2025 deutlich mehr Budget in Buyouts fließt als in den Vorjahren – also in die Rechteübernahme von Creator-Content. Diese Inhalte werden dann mit separaten Paid-Media-Budgets geboostet, sodass organischer Content aus einer Performance-Perspektive genutzt wird. Besonders auf TikTok, wo es schwierig ist, direkte CTAs in Creator-Content einzubinden, ermöglichen Buyouts in Kombination mit Paid Boosting den Marken, einen klaren Call-to-Action im Video zu platzieren. So erzielen sie sowohl Branding-Effekte als auch einen Performance-Baustein, der Conversions antreibt.
Außerdem werden Creator zunehmend in POS-Kampagnen (Point of Sale) eingebunden. Das digitale Vertrauen, das sie in ihren Communities aufbauen, wird in die reale Welt übertragen – etwa über Displays oder Touchpoints im Handel. Das bedeutet: Ich verbinde ein Produkt nicht nur online mit einem Creator, sondern sehe denselben Creator auch auf einem Display in der Drogerie, das eine neue Mascara bewirbt – eine Person, die ich digital kenne und der ich vertraue. Diese Online-Offline-Integration verstärkt die Wirkung enorm und sorgt dafür, dass Influencer-Marketing-Budgets strategischer verteilt werden.
Welchen Einfluss haben Social-Commerce-Optionen wie TikTok Shop oder Instagram Shop?
Ich sehe kein großes Risiko, dass sich alles komplett in Richtung Performance verschiebt. Performance-orientierte Elemente wie Affiliate-Links gibt es im Influencer-Marketing schon seit Beginn – besonders in Bereichen wie Sportswear. Im Beauty-Segment setzen Marken dagegen meist stärker auf feste Honorare. Neu ist also nicht das Konzept, sondern dass Plattformen wie TikTok und Instagram Shop inzwischen integrierte Lösungen anbieten, die den Einstieg für Creator und Marken deutlich erleichtern.
Spannend ist, dass viele Creator diese Tools inzwischen strategisch nutzen und sich über TikTok Shop sogar eigene Einnahmequellen aufbauen. Für mich ist das eine sinnvolle Ergänzung, aber kein Ersatz für klassische Branding-Kampagnen. Ob eine Marke stärker auf Performance oder auf Branding setzt, hängt stark von ihrer Marktposition ab.
Bin ich eine neue Marke, die gerade erst in den Markt eintritt, muss jeder investierte Euro direkt messbar sein – Affiliate-Links, klare CTAs und Social Commerce sind hier zentral. Habe ich dagegen bereits eine etablierte Marke mit treuer Kundenbasis und dem Ziel, mich gegen Wettbewerber zu behaupten und flächendeckend sichtbar zu bleiben, komme ich an Branding-Kampagnen nicht vorbei.
Am Ende geht es darum, ob eine Marke kurzfristige Sales pushen oder langfristig Markenwert und Community-Loyalität aufbauen will – und in vielen Fällen braucht sie schlicht beides.
Wie sehen Sie die Entwicklung der KPIs zur Messung von Einfluss?
Es gibt zwei Ebenen von KPIs. Auf der einen Seite funktionieren die klassischen Metriken – Reichweite, Views, Likes, Kommentare – nach wie vor sehr gut, weil sie leicht messbar und schnell auszuwerten sind. Auch Klicks über Affiliate-Links oder Rabattcodes lassen sich gut nachverfolgen und geben den Kund:innen ein direktes Gefühl für die Performance.
Was jedoch fehlt – und das ist die größte Herausforderung – ist eine einheitliche Methode, um langfristigen Einfluss zu messen. Zum Beispiel: Ist die Marke nach einer Kampagne wirklich relevanter geworden? Ist die Bekanntheit gestiegen? Beeinflussen die Maßnahmen Kaufentscheidungen auch Monate später noch? Heute ist das schwer zu erfassen. Zudem fehlen plattformübergreifende Standards – jede Plattform misst anders, sodass es keine gemeinsame “Währung” wie in klassischen Medien gibt.
Ich glaube, KPIs werden sich zunehmend darauf konzentrieren, Community-Bindungen zu messen: nicht nur, wie viele Menschen einen Post gesehen haben, sondern welche Art von Verbindung aufgebaut wurde, welche Markenloyalität entstanden ist und wie das den Customer Journey beeinflusst. Genau hier fehlen uns aktuell die passenden Tools – und das wird in den kommenden Jahren entscheidend sein.
Ist es realistisch, den ROI von Influencer-Marketing direkt mit anderen Marketingkanälen wie Paid Social oder Retail Media zu vergleichen?
Nur bedingt. Influencer-Marketing ist multidimensional. Es geht nicht nur um Performance oder Sales – es geht auch um Community-Building, Social Proof und langfristige Markenwirkung.
Paid Social oder Retail Media liefern in der Regel kurzfristige, klar messbare KPIs. Influencer-Marketing hingegen produziert zusätzlich Content, steigert die Markenbekanntheit und schafft Vertrauen.
Das wirkt also auf unterschiedlichen Ebenen und ist nicht eins zu eins vergleichbar. Trotzdem sehe ich, dass Kund:innen zunehmend Benchmarks einfordern und versuchen, Influencer-Marketing mit denselben KPIs wie Paid Social zu messen. Teilweise funktioniert das – vor allem bei Affiliate-Setups oder Buyouts mit Paid Push. Doch der volle Impact von Influencer-Marketing lässt sich so nicht erfassen, weil es eben nicht nur ein Performance-Kanal ist, sondern auch ein Branding- und Trust-Kanal.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Allokation von Influencer-Marketing-Budgets?
Eine große Herausforderung ist die unterschiedliche Bewertung von Reichweite je nach Plattform. Einen großen YouTube-Creator zu buchen, kann ein Vielfaches mehr kosten als einen TikTok-Creator – obwohl die tatsächliche Reichweite vergleichbar sein kann. Diese Unterschiede sind ohne einheitliche Bewertungsstandards schwer zu rechtfertigen und erschweren die Budgetplanung erheblich.
Hinzu kommt, dass die Creator-Fees stark gestiegen sind, vor allem bei Top-Performer:innen. Marken stehen deshalb oft vor der Entscheidung: Investiere ich in wenige große Namen oder verteile ich das Budget auf mehrere Mid-Tier-Creator? Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile, aber die Allokation wird dadurch komplexer.
Auch die Messbarkeit ist eine Herausforderung. Viele Kund:innen wollen einen klaren ROI, aber nicht jeder Kampagnenerfolg lässt sich direkt in Sales übersetzen. Gerade bei Branding- und Community-Building-Aktivitäten fehlen uns die Tools, um den tatsächlichen Wert präzise zu quantifizieren.
Und schließlich dürfen die regulatorischen Anforderungen nicht unterschätzt werden: Kennzeichnungspflichten, Datenschutz oder der Umgang mit KI-generierten Inhalten machen Budgetentscheidungen zusätzlich kompliziert, da rechtliche Rahmenbedingungen immer berücksichtigt werden müssen.
Unterm Strich bleibt die größte Schwierigkeit das Fehlen einer einheitlichen “Währung” im Influencer-Marketing. Das schafft Unsicherheit in der Budgetplanung und zwingt Marken dazu, jedes Projekt neu zu bewerten.
Wie werden KI, Automatisierung und datengetriebene Tools die Influencer-Marketing-Budgets im nächsten Jahr beeinflussen – in Bezug auf Effizienz und Skalierbarkeit?
KI und Automatisierung werden Budgets auf zwei Arten beeinflussen.
Erstens in puncto Effizienz: Datengetriebene Tools helfen bereits heute, die passenden Creator schneller zu identifizieren, Kampagnen zu matchen und Reportings vorzubereiten. Das spart Ressourcen und reduziert manuellen Aufwand. Auch in der Content-Produktion wird KI schon eingesetzt – sei es für Ideenfindung, automatische Untertitel oder die Anpassung von Formaten an verschiedene Plattformen.
Zweitens in puncto Skalierbarkeit: Mit KI lassen sich Kampagnen international deutlich einfacher ausrollen, da Inhalte automatisch übersetzt, lokalisiert oder in verschiedene Varianten adaptiert werden können. So erreichen Marken mit demselben Budget wesentlich mehr Reichweite und Touchpoints.
Aber – und das ist wichtig – KI wird Creator nicht ersetzen. Der eigentliche Wert von Influencer-Marketing liegt in Authentizität, Community-Bindung und Vertrauen. KI macht die Prozesse drumherum effizienter, sodass Budgets smarter eingesetzt werden können: weniger für manuelle Aufgaben, mehr für Creator-Fees und für die clevere Verbindung von Branding und Performance.
Blick auf 2026: In welche Bereiche sollten Marken innerhalb ihrer Influencer-Marketing-Budgets investieren, um sowohl kurzfristige Performance als auch langfristigen Markenerfolg zu maximieren?
Ich sehe zwei Hauptfelder: Communities und professionelle Marketing-Strukturen in den Teams.
Es macht keinen Sinn, etwas so Zentrales wie Social Media einem Werkstudenten zu überlassen. Leider sehe ich das oft: Unternehmen wollen Community-Bindungen und nachhaltigen Markenaufbau, lassen ihre Accounts aber nebenbei managen. Social Media ist die Stimme einer Marke – dafür braucht es klare Verantwortlichkeiten, Strategie und Expertise. Marken müssen in den Teamausbau investieren und Social Media so ernst nehmen wie andere Kernbereiche.
Der zweite Punkt sind Communities. Zu oft werden Creator nur nach Follower-Zahlen ausgewählt. Ich sehe regelmäßig Profile mit zwei Millionen Followern, aber nur 20.000 durchschnittlichen Views – das ist keine Community, das ist leere Reichweite. Marken müssen genau hinschauen, wie aktiv und loyal ein Publikum wirklich ist. Echte Markenbindungen entstehen nur dort, wo Vertrauen zwischen Creator und Community vorhanden ist.
Ebenso wichtig: in langfristige Partnerschaften statt in einmalige Kampagnen investieren. Glaubwürdigkeit und Wiedererkennung entstehen nur, wenn eine Marke über verschiedene Touchpoints hinweg konsequent mit denselben Creators verbunden wird – und die Community diese Zusammenarbeit als authentisch wahrnimmt.
Ein weiterer zentraler Punkt ist Content-Repurposing und Paid Boosting. Influencer-Content sollte nicht nur auf den Accounts der Creator bleiben – er sollte über Paid Media verlängert werden. So wird der organische Effekt mit einer Performance-Komponente ergänzt, die Branding und Conversion verbindet.
Und schließlich Plattform-Diversität. Marken müssen dort investieren, wo ihre Zielgruppe wirklich ist. TikTok ist aktuell sehr stark, aber nicht die einzige Plattform. Je nach Branche können Instagram, YouTube Shorts oder sogar LinkedIn relevanter sein. Wer auf einen einzigen Kanal setzt, riskiert, Teile der Audience zu verpassen oder von Algorithmus-Änderungen stark getroffen zu werden.
Kurz gesagt: 2026 geht es nicht darum, wie viel Reichweite man einkauft, sondern wie stark die Bindungen sind, die man über Communities aufbaut – und ob die internen Strukturen vorhanden sind, diese Strategie konsequent umzusetzen.